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Vor 50 Jahren verlor ich meine Heimat

Von Jalil Schwarz, Koeln

Geboren wurde ich im Jahre 1936 in Ramle. Als ich sieben Jahre alt war, starb meine Mutter. Sie hinterliess ausser mir noch drei aeltere und zwei juengere Geschwister. Daraufhin kam ich in das syrische Waisenhaus, ein von dem deutschen Missionar Schneller gegruendetes Internat in Nazareth. Im Jahre 1947/48 nahmen die kriegerischen Handlungen zwischen den gut ausgebildeten und organisierten juedischen Untergrundorganisationen und der arabischen Bevoelkerung zu. Unser Internat befand sich auf einem Berg genau gegenueber einem juedischen Kibbuz. Als sich die Lage weiter zuspitzte und ausserdem unsere Schule mehrfach beschossen wurde, war der arabische Schulleiter gezwungen, die meisten Kinder nach Hause zu schicken. 14 Kinder, darunter ich, die aus den Staetten Lydda (Lod), Jaffa und Ramle stammten, konnten nicht nach Hause geschickt werden. Der Grund war, dass unsere Heimatstaedte stark umkaempft waren und alle dahin fuehrenden Strassen unter Beschuss lagen. Also blieben wir noch eine Weile dort, bis der Direktor der Schule einen Lastwagen gemietet hatte. Der Lastwagen wurde mit einem Teil von seinem Haushalt beladen. Hinzu kamen fuer uns Kinder einige Saecke Lebensmittel, wie zum Beispiel Reis, Linsen, Kichererbsen, Zucker, Linde's Kaffeersatz (Muckefuck), 14 Matratzen und Wolldecken.

Schliesslich durften wir alle auf den Lastwagen steigen. Als Beifahrer wurden wir von unserem Pfarrer Daoud Haddad begleitet. Unsere Reise ging nach Beirut in den Libanon, weil der Bruder unseres Direktors dort lebte. Wir kamen die ersten 14 Tage bei befreundeten Familien des Bruders unter. In dieser Zeit wurde fuer uns ein Zelt organisiert. Wir durften es auf einem Kornfeld aufschlagen. Der Aelteste, 17 Jahre alt, bekam ueber uns die Aufsicht. Wir hatten zunaechst ein schoenes Leben. Wir kochten und assen zusammen das, was wir zusammengezaubert hatten und dann spielten wir sorglos den ganzen Tag ueber.

Eines Tages, im Monat April 1948, hoerten wir die schreckliche Nachricht, dass berittene und bewaffnete juedische Kaempfer der Irgun und Stern das Dorf Deir Yassin ueberfielen und alle Bewohner barbarisch abschlachteten: Sie machten noch nicht mal vor Frauen, Maedchen und Babys halt. Zum Schluss wurden die leblosen Leichen hinter ihren Pferden durch die staubigen Wege des Dorfes geschleift und in die Wasserzisternen geworfen, welche die einzigen Wasserstellen des Dorfes waren.

Einige Monate spaeter, Juli 1948, hoerten wir auch, dass israelische Truppen, massiv und gnadenlos unterstuetzt von Artillerie und Luftbombardement, unsere Geburtsstaedte Lydda und Ramle ueberfallen und eingenommen hatten. Viele Menschen wurden vor allem in der Stadt Lydda umgebracht. Die Ueberlebenden mussten ihre Haeuser verlassen, nachdem man ihnen alles weggenommen hatte. Es war fuer uns Kinder grausam und unvorstellbar, solche Nachrichten zu erfahren. Denn wir wussten nicht, was mit unseren Angehoerigen passiert ist. Wir blieben noch cirka zwei Jahre im Libanon, bis wieder Ruhe zwischen den Juden und den Arabern einkehrte. Unsere Heimat Palaestina wurde inzwischen zweigeteilt (Israel und Jordanien). Wir kamen nach Bethlehem, das von Jordanien annektiert wurde. Erst hier erfuhr ich von Verwandten, die aus Lydda geflohen waren, dass mein Vater und meine Geschwister noch am Leben waren und in Ramle geblieben sind.

Es bestand zwischen Israel und den arabischen Staaten leider keinerlei postalische Verbindung. Durch das Rote Kreuz wurde uns Fluechtlingen erlaubt, auf einer Postkarte 36 Woerter zu schreiben, welche dann an die Angehoerigen weitergeleitet wurde. Es dauerte manchmal 3 Monate, bis man eine gute oder eine schlechte Nachricht erhielt. Mein Neffe, der auch aus Lydda zu Fuss fluechtete und in Ost-Jerusalem unterkam, fuhr in die USA, um dort zu studieren. Jetzt konnte ich die Post nach Amerika schicken, und von dort leitete er sie nach Israel weiter. Trotz all dieser Umstaende war ich ueber diesen Umweg gluecklich, denn ich konnte jetzt meiner Familie mehr schreiben und von ihnen mehr Informationen erhalten.

Ein Jahr spaeter erlaubte man (nur) den arabischen Christen, waehrend des Weihnachtsfestes ueber den Grenzuebergang "Mandelbaumtor" in Jerusalem nach Bethlehem zu reisen. Diese Regelung galt fuer eine Person je Familie fuer 36 Stunden. Die Haelfte der Zeit verbrachte man an der Grenze mit Formalitaeten und Leibesvisitationen. Ich konnte endlich meinen Vater nach cirka vier Jahren fuer ein paar Stunden wiedersehen. Ein Jahr spaeter konnte ich meinen Vater zum letzten Mal in die Arme schliessen, da er kurz darauf starb. Danach ging ich nach Deutschland, um zu studieren. Im Jahre 1967 erlangte ich die deutsche Staatsangehoerigkeit.

Nun durfte ich endlich nach 20 Jahren dank meines deutschen Passes meine Heimat besuchen und meine Geschwister umarmen, die mittlerweile verheiratet waren und eigene Kinder hatten.

Es ist bekannt, dass die Juden in viele Laender der Welt verstreut sind, einschliesslich der arabischen. In den arabischen Laendern genossen sie Gastrecht und Buergerrechte. Im zweiten Weltkrieg dagegen wurden sie aus Europa vertrieben - viele von ihnen wurden auf schrecklichste Weise umgebracht. Sie kamen in unsere Heimat Palaestina und fanden zunaechst gute Aufnahme und Zuflucht.

Nun haben sie uns das Land weggenommen, und hunderttausende von Menschen heimatlos gemacht und uns in viele Laender verstreut. Ich habe zum Beispiel Angehoerige in Sued- und Nordamerika, in Australien, Jordanien, Libanon, Syrien, Israel, - und ich lebe hier in Deutschland.

Solange die Palaestinenser keinen eigenen Staat und Souveraenitaet erhalten, wird Israel nie Frieden haben. Mein Traum und Wunsch ist, dass eines Tages im Heiligen Land Juden, Christen und Moslems ("Die Kinders Abrahams") friedlich miteinander leben und sich gegenseitig respektieren.

Quelle: Palaestina-Journal Heft 35, Seite 6, der Deutsch-Palaestinensischen Gesellschaft e.V.


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