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Christlich-Islamische Gesellschaft e.V.
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Rede des Ministers für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen Herr Armin Laschet

Dialogveranstaltung "Begegnung verbindet - Begegnung bereichert"
der Christlich-Islamischen Gesellschaft am 19.11.2005 im Haus Villigst (Schwerte) der Evangelischen Akademie Iserlohn

Sehr geehrter Schech Bashir Ahmad Dultz,
Sehr geehrter Herr Lemmen,
meine Damen und Herren,
ich freue mich, heute bei Ihrer Tagung zu Gast zu sein.

Integration ist ein vielschichtiger Prozess.
Sie lässt sich nicht verordnen, sondern muss wachsen.
Sie lässt sich nicht herbeireden, sie muss gelebt werden.
Integration ist eine Querschnittaufgabe.

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen stellt sich dieser Aufgabe, indem sie ein eigenes Integrationsministerium geschaffen hat - bisher einmalig in Deutschland, und ich denke: richtungweisend!

Mit diesem Titel, Integrationsminister, stehe ich heute vor Ihnen.

Ich verstehe es so, dass Sie mich als Integrationsminister heute vor die Gretchenfrage stellen: "ie hältst Du es mit der Religion?""Zwar nicht als persönliche Frage, aber als Frage, wie Religion im Integrationsprozess vorkommt.

Kurz gefasst lautet meine Antwort: Das Thema Religion darf im Integrationsprozess weder überbewertet noch unterbewertet werden.

Religion und Integration gleichzusetzen wäre eine Verkürzung: geht es doch vor allem um rein "weltliche" Dinge wie Spracherwerb, Ausbildungschancen, Berufszugänge, politische Partizipation und vieles mehr.

Doch mir ist bewusst: Religion kann Integration befördern oder verhindern. Daher nehme ich die Frage sehr ernst.

Lassen Sie mich heute ansprechen, was mir wichtig erscheint. Kurz gefasst sind es drei Punkte, die ich mir selbst auf die Agenda gesetzt habe, um das Verhältnis Integration und Religion besser zu verstehen und für den Integrationsprozess fruchtbar zu machen.

Das Gelingende aufsuchen

Sie alle haben die Diskussionen der letzten Wochen verfolgt, die durch die Ausschreitungen in Frankreich ausgelöst wurden.

Es ist auch für uns notwendig, genau hinzusehen, was dort geschehen ist, zu analysieren, was die Ursachen dieser Ausschreitungen sind.

Es ist notwendig, um Gefahren frühzeitig erkennen zu können. Aber auch um Unterschiede zu markieren.

Wir haben keine französischen Verhältnisse. Aber ein Blick nach Frankreich kann helfen, sich zu vergewissern, wo man auf dem richtigen Weg ist oder wo man neue Wege einschlagen muss.

Er kann zur Schärfung der Wahrnehmung dienen, was schief gelaufen, aber auch, was gelungen ist.

Um es deutlich zu sagen: in sehe in den Ausschreitungen keinen religiösen Konflikt.

Doch aus den Debatten und Diskussionen können wir lernen, auch für das Verhältnis von Religion und Integration:

In den Debatten und Diskussionen erleben wir oft, dass Warnungen und Forderungen im Vordergrund stehen.

Das haben wir auch im letzten Jahr nach der Ermordung des Filmschaffenden van Gogh erlebt.

Dies ist der eine Schritt. Er hat seine Berechtigung. Doch er darf nicht der einzige sein. Es geht nicht darum, bestehende Ängste zu verschärfen, Verhältnisse herbeizureden, sondern Probleme zu beschreiben.

Doch meiner Ansicht nach bedarf es auch eines zweiten Schrittes: Gelingendes aufzuspüren und aufzuzeigen. Diesem Schritt möchte ich mich im nächsten Jahr widmen, gerade auch in der Frage, wie Religion dem Integrationsprozess dienen kann.

Ich möchte Institutionen und Personen aufsuchen, die mit ihrem Handeln aus ihrer religiösen Überzeugung heraus zeigen, dass Religion kein Hindernis, sondern ein Motor der Integration ist.

Und ich möchte Sie animieren, mir solche Personen und Institutionen zu nennen: machen auch Sie mich aufmerksam auf das Gelingende.

Ich möchte mit dazu beitragen, dass das Gelingende in der Öffentlichkeit besser bekannt wird.

Gelingendes ist immer konkret - es erschöpft sich nicht in Debatten. Es regt zur Nachahmung an, eröffnet Wege.

Wir brauchen Nachahmungstäter der guten Tat, Vorbilder gelungener Integration. Vorbilder sind den Religionen nicht fremd.

Ich denke, es ist ein guter Weg, sich über das konkret Gelingende dem Verhältnis von Religion und Integration anzunähern.

Gerade auch deshalb, weil wir viel zu häufig bei diesem Thema das Konfliktpotential vor Augen haben.

Das Gemeinsame sichtbar machen

Von diesem ersten Schritt zum zweiten ist es vielleicht nur ein kleiner, aber entscheidender, da wir auf eine andere Ebene gelangen.

Im Gelingenden wird Gemeinsames deutlich.

Geteilte Werte, gemeinsame Ziele werden offenbar. Sie beschreiben das Verbindende, das sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann.

Theologisch sind Sie auf der Suche nach diesem Verbindenden unter Wahrung Ihrer je eigenen Identität.

Ich bin der Überzeugung, dass dieses Verbindende noch stärker ins öffentliche Bewusstsein dringen muss, theologisch, aber auch im gemeinsamen Suchen nach dem, was unsere Gesellschaft im Inneren zusammenhält.

Daher bin ich mir Ihrer wichtigen Aufgabe sehr bewusst und danke Ihnen für Ihre Bemühungen - gerade weil ich darum weiß, wie schwierig ein echter Dialog ist.

Gerade weil ich darum weiß, wie schwierig ein Dialog, den Sie suchen und führen, in der heutigen Zeit ist.

Um noch stärker zu verdeutlichen, was mir wichtig ist, möchte ich Ihnen dieses an einer subjektiven Beobachtung verdeutlichen:

Gerade in diesem Jahr wurde in den Medien viel über die so genannte Rückkehr der Religion berichtet.

Sie kennen die großen öffentlichen Anlässe: der Tod von Johannes Paul II., die Wahl des neuen Papstes, der Weltjugendtag in Köln.

Ob es sich um eine Wiederkehr der Religion oder vielmehr um eine Wiederkehr des Interesses an religiösen Fragen handelt, wie es der Berliner Philosoph Schnädelbach in der Wochenzeitschrift die "ZEIT" angeführt hat, sei dahingestellt.

Mir fällt zumindest auf, dass bei diesem Thema der Islam häufig negativ aufgenommen wird, im Sinne einer Radikalisierung und Verstärkung islamistischer Strömungen, gerade bei Jugendlichen.

Es wäre blauäugig, Gefahren zu verschweigen. Sie gibt es.

Es ist eine Aufgabe des Staates, wachsam zu sein und zu beobachten. Und wenn nötig, einzugreifen. Das steht außer Frage.

Hierzu gibt es eine gemeinsame Grundlage: unser Grundgesetz.

Doch was entsteht für ein Bild, wenn nur diese Dimension bestimmend ist, wenn nur die Angst vor dem Islam im Zentrum steht?

Ich frage Sie ernsthaft: Könnten und würden Sie miteinander sprechen, den Dialog suchen, wenn dem so wäre?

Es ist ein wichtiger Schritt, dass immer wieder darauf hingewiesen wird, dass hier ein Missbrauch der Religion vorliegt.

Es ist ebenso wichtig, dass die Gewalt, die fälschlicherweise im Namen des Islam verübt wird, aufs Schärfste verurteilt wird. Gerade auch von den hier lebenden Muslimen.

Auch die Kooperation mit den Sicherheitsbehörden ist ein wichtiges Zeichen. Doch wir wissen alle, dass das nicht ausreichend ist:

Fremdes kann bedrohlich wirken.
Fremdes bleibt fremd, wenn es sich abschottet.
Fremdes bleibt fremd, wenn es nicht erklärt wird.
Fremdes bleibt fremd, wenn es nicht verstanden wird.

Es ist ein wichtiger Schritt, wenn die Muslime am 3. Oktober Ihre Türen der Moscheen öffnen.

Es ist ein wichtiger Schritt, wenn sie zum Zuckerfest einladen, um mit Ihnen gemeinsam zu feiern.

Es ist ein wichtiger Schritt, wenn Christen und Muslime im Dialog stehen, um sich gegenseitig besser zu verstehen.

Es ist ein wichtiger Schritt, wenn man sich auf Gemeinsames verständigt.

Jede Initiative vor Ort ist ein wichtiges Zeichen!

Ich habe auch keine Angst vor einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion, die sich auf die Suche nach dem Verbindenden, dem Gemeinsamen aufmacht.

Sie machen es vor: Das Gemeinsame stärken, ohne das Trennende zu verschweigen, so verstehe ich Ihre Aufgabe, die Sie sich selbst gestellt haben.

Sollte es uns nicht gelingen, eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über Werte zu führen - in Achtung der Quellen, aus denen sich diese speisen?

Könnte in einer solchen Diskussion nicht gerade gelingen, Fremdes verständlich zu machen?

Wir sollten eine solche Diskussion zur Selbstaufklärung nutzen: über das, was uns jeweils wichtig ist und wofür wir gemeinsam einstehen. Nutzen wir sie auch, um uns über gegenseitige Vorurteile aufzuklären.

Gegenseitige Vorwürfe werden uns nicht weiterhelfen, mit ihnen stärken wir auf beiden Seiten nur Vorbehalte, die es - ob ausgesprochen oder nicht - gibt.

Sie leisten mit dem christlich-islamischen Dialog nicht nur eine wichtige Vorarbeit. Sie haben durch Ihre Erfahrung im wahrsten Sinne des Wortes etwas zu sagen.

Den Dialog führen

"Es gibt die eine Telefonnummer des Islam in Deutschland nicht" - mit diesem Bonmot beginnt ein Artikel in der aktuellen Ausgabe der evangelischen Kommentare zu Religion und Gesellschaft "Zeitzeichen".

Sie kennen das Problem genauso wie ich. Sie haben es für Ihren Verein gelöst und werden über ein großes Telefonregister verfügen, da bei Ihnen nur Personen Mitglieder sein können, keine Institutionen.

Für den Staat liegt darin keine Lösung. Um im Bild zu bleiben: man meldet auch nicht für jemand anderen ein Telefon an. Es ist genuine Aufgabe der Muslime, sich ihre Vertretung zu schaffen.

Herr Ministerpräsident Dr. Rüttgers hat in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht: "Wir wollen eine bessere politische Einbindung und Repräsentation insbesondere der Muslime in Nordrhein-Westfalen, an der möglichst alle muslimischen Gruppen vertreten sein sollten. Sie bildet auch die Voraussetzung für die von uns gewollte Einführung eines regulären islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache, unter deutscher Schulaufsicht und mit in Deutschland ausgebildeten Lehrkräften."

Wir werden den Dialog dazu aufnehmen. Wir werden ihn aufnehmen im Wissen darum, dass wir nicht bei Null anfangen.

Wir entdecken dieses Thema nicht neu. Wir wissen um die Herausforderung und wir wollen deutlich Position beziehen. Das erscheint mir notwendig für einen echten Dialog.

Das kann man auch von Ihnen lernen, der christlich-islamischen Gesellschaft:

Für Sie gilt, dass der Dialog nicht zur Entdeckung einer religiösen Identität dient, sondern dass er sie vielmehr voraussetzt.

Sie schließen jedoch nicht aus, dass sich diese in der Begegnung und Auseinandersetzung mit dem anderen verändert.

Gilt dies nicht im übertragenen Sinne auch für das Verhältnis des Staates zum Islam?

Wir setzen ein Verständnis des Verhältnisses von Staat und Religion voraus.

Aus diesem entwickelt sich unser Standpunkt - von diesem aus führen wir den Dialog.

Niemand wird behaupten, dass dieser Dialog einfach ist: aus der Geschichte können wir ablesen, dass es ein langer Prozess war, bis sich dieses Verhältnis herausgearbeitet hat.

Hinter dem, was erreicht wurde, wollen wir nicht zurückfallen, sondern darauf aufbauen und Besseres schaffen.

In zwei Jahren, im Jahre 2007, feiern Sie Ihr 25jähriges Jubiläum. Sie werden dann Bilanz ziehen, um Ihre Geschichte zu beleuchten.

Der Integrationsprozess und auch der Dialog sind Lernfelder. Ich freue mich auf die Begegnungen und meine Erfahrungen, die ich bis dahin erleben werde.

Ich biete Ihnen gerne an, Ihnen in zwei Jahren meine Bilanz vorzulegen, falls Sie diese interessiert.

Ich vermute, Sie werden bisher ganz gespannt gelauscht haben, ob ein gewisser Begriff fällt.

Insofern haben meine bisherigen Überlegungen etwas mit dem Gesetzesentwurf, der in den letzten Tagen hitzig diskutiert worden ist, gemeinsam: der Begriff Kopftuch ist bisher nicht aufgetaucht.

Nicht weil ich mich drücken will.

Aber ich bin der festen Überzeugung, dass diese Diskussion nicht die gesamte Integrationsfrage überlagern darf. Auch nicht die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Integration.

Am Kopftuch scheiden sich die Geister - nicht nur zwischen den politischen Parteien.

Man kann diese Entscheidung nicht ausblenden. Sie ist eine Richtungsentscheidung in einer höchst komplizierten Frage.

Sie mag derzeit etwas Trennendes sein, auch wenn ich dafür plädiere genau zu betrachten, worum es bei der Entscheidung geht: eine Entscheidung, die Staatsdienerinnen umfasst, in einer konkreten Situation, die die Neutralitätspflicht betrifft.

Hier kommt es bei der Diskussion um die genaue Wortwahl an.

Man darf die Diskussion weder ausblenden, noch anheizen, noch zum Ausgangspunkt des Dialoges machen - von keiner Seite.

In diesem Bewusstsein und vor dem Hintergrund des Titels, den Sie Ihrer Tagung gegeben haben, habe ich mich bewusst dazu entscheiden, nicht dieses Streitthema in den Mittelpunkt zu stellen, da ich es nicht als die zentrale gesellschaftliche Herausforderung für die Zukunft sehen möchte.

Ich bleibe dabei: Lassen Sie uns das Gelungene aufsuchen, das Gemeinsame sichtbar machen und den Dialog führen - im Bewusstsein um Unterschiede.

Deshalb möchte ich - über Fragen der Religion hinaus - die Zuwanderer in unserem Land zu einer Debatte über eine gemeinsame Leitkultur einladen.

Damit eben nicht die Mehrheit der Gesellschaft darüber bestimmt, welchen Werten sich die Minderheit verpflichten soll oder gar muss. Vielmehr brauchen wir eine Diskussion darüber, welche Werte beide Seiten einbringen können:

Die Zuwanderer sollen sich mit den Werten des Grundgesetzes identifizieren können. Das wird genau dann gelingen, wenn wir unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung in einem Diskurs vermitteln. (Was aber nicht heißt, dass wir sie zur Disposition stellen.)

Und die Deutschen können viel von den Zuwanderern lernen. Umgang mit Kindern oder Respekt vor dem Alter sind dafür nur zwei Beispiele.

Ihre Organisation steht für den Dialog zwischen Christen und Muslimen. Sie davon überzeugen zu wollen, wie wichtig ein Austausch der verschiedenen Kulturen in unserem Land ist, das hieße Eulen nach Athen tragen.

Ich werde meinen Teil dazu beitragen, dass wir in allen Bereichen unserer Gesellschaft eine Werte-Diskussion eintreten. Das wird - so viel ist mir klar - eine anspruchsvolle Aufgabe. Wenn sie gelingt, dann werden wir Trennendes überwinden und Gemeinsames stärken.


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